„28 Years Later“: Coming-of-Age-Drama mit Zombies

Der Kultregisseur Danny Boyle lässt zombieartige Infizierte auf die Kinoleinwände los. Gelingt ihm ein weiterer Hit, oder ist der Hype eine Luftnummer? Die Kritik.
Sie rennen, greifen an, töten: Die mit einem in einem Londoner Labor gezüchteten Wut-Virus infizierten Menschen sind rabiater und gefährlicher als jeder gemütlich mit ausgestreckten Armen herumtaumelnde Zombie. Dank dieser Grundidee konnte Danny Boyle 2002 mit seinem Film „28 Days Later“ frischen Wind ins angejahrte Zombie-Genre bringen. Zwar gab es schon 1972 im schäbigen Low-Budget Film „Garden of the Dead“ Untote, die sich sehr schnell bewegen konnten, und in „The Crazies“ (1973) mit einer Biowaffe verseuchte Menschen im rasenden „Wut-Modus“, aber erst mit „28 Days Later“ wurden die rennenden Zombies bzw. Infizierten populär und fürs Genre typisch. Sie passen einfach besser in unser hektisches Jahrhundert als die behäbig schlurfende Variante.
Der Film mit seiner spröden Digitalkamera-Optik war damals ein großer Erfolg und zog 2007 die ebenfalls erfolgreiche, actionlastigere Fortsetzung „28 Weeks Later“ nach sich. Und nun – satte 18 Jahre später – wird die Reihe endlich fortgesetzt. Wieder führte Danny Boyle Regie, wieder schrieb Alex Garland das Drehbuch. Die Erwartungen der Filmfans sind also hoch. Und es ist ziemlich sicher, dass „28 Years Later“ polarisieren wird. Die einen werden den fast zweistündigen Film als wendungsreiches Horror-Epos feiern, das mit großartigen Settings, einer fast schon poetischen Bildsprache und starken Darsteller*innen punktet. Manche werden sich auch über die zahlreichen Referenzen freuen und loben, wie der pseudo-dokumentarische Wackelkamerastil der früheren Filme elegant in die neue Verfilmung mit ihrem deutlich höheren Budget integriert wurde.
Andere, und dazu zählt der Rezensent dieser Besprechung, werden allerdings enttäuscht sein und den Film als prätentiös, ungruselig und tonal unausgegoren bezeichnen. Gleich der Anfang verdeutlicht, Stärken und Schwächen des Films: Ein paar Kinder sitzen in einem Raum und gucken auf einen Fernseher. Es laufen die Teletubbies. Wir befinden uns im Jahr 2002. Geräusche im Hintergrund und die Stimmen von Erwachsenen versetzen die Kinder (und den Zuschauer) in Anspannung. Bis dahin ist die Sequenz großartig. Dann brechen die Infizierten ins Wohnzimmer und veranstalten ein hektisch geschnittenes und halbherzig wirkendes Gemetzel. Die Physik stimmt hier einfach nicht. Ein Junge kann entkommen und flüchtet in eine Kirche zu seinem Vater, der als Priester freudig das jüngste Gericht verkündet. Die nun folgende Attacke der Infizierten schwankt inszenatorisch unschlüssig zwischen Drama, Horrorfilm und Parodie. Auch später scheint der Film manchmal nicht zu wissen, was er sein will: Sentimentales Familiendrama in einem postapokalyptischen England, augenzwinkernde Verbeugung vorm Zombie-Genre oder doch ein richtiger Horrorfilm, der erschrecken will.
Im Kern ist „28 Years Later“ ein Coming-of-Age-Film. Der zwölfjährige Spike (großartig verkörpert von Alfie Williams) wird von seinem Vater in die „männliche“ Welt eingeführt, die aus tapferer Gewaltausübung, Biertrinken und Prahlen zu bestehen scheint. Diese Initiation erfolgt in der kleinen Inselgemeinschaft Überlebender quasi automatisch. Für eine andere, eher „weibliche“ Einführung ins Erwachsenleben entscheidet sich Spike schließlich selbst: Gemeinsam mit seiner Mutter lernt er sowohl Fürsorge als auch Akzeptanz angesichts der Verletzlichkeit und Endlichkeit des Menschen. Während die erste Initiation dazu führt, dass sich Spike von seinem Vater lösen kann, löst er sich durch die zweite von seiner Mutter. Unterstützung erhält er dabei durch einen schrägen Charakter, den kein geringerer als der preisgekrönte Schauspieler Ralph Fiennes verkörpert. Das Ende des Films wirkt offen. Eine Fortsetzung namens „28 Years Later: The Bone Temple“ ist bereits gedreht, ein dritter Teil der Trilogie in Planung. Vermutlich wird man dann mehr über die aus „Slow-Lows“, Normalos und „Alphas“ bestehende „Klassengesellschaft“ der mit dem „Rage“-Virus Infizierten erfahren. Anders als in den Vorgängerfilmen laufen sie hier größtenteils nackt (und teils mit Penisprothesen bestückt) herum, essen ihre Opfer und können auch Kinder bekommen und Familien gründen.
Was mangelnde Plausibilität angeht, steht „28 Years Later“ den Filmen von 2002 und 2007 in nichts nach. Was den Horror angeht, leider schon. Dazu trägt in meinen Ohren auch der Soundtrack der „Young Fathers“, der jede Unheimlichkeit unterläuft. Der progressive Hip-Hop der schottischen Band erzeugt atmosphärische Brüche, durch die die tonalen Schwankungen des Films noch verstärkt werden. Um die Besprechung aber mit etwas Positivem zu beenden: „28 Years Later“ ist kein Film von der Stange, versucht sich an etwas Eigenem und wird sicher manche Diskussion inspirieren. Warten wir also die weiteren Teile der neuen Trilogie ab.
Seit dem 19. Juni 2025 im Kino, 1 Std. 55 Min., Horror, Thriller, Regie: Danny Boyle, Drehbuch: Alex Garland, Besetzung: Aaron Taylor-Johnson, Jodie Comer, Alfie Williams.
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Berliner-zeitung